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Wir freuen uns über einen hochinteressanten Gastbeitrag zur diesjährigen Blogparade von Dr. Thomas Mohr. Er entwickelt das Konzept eines „Digitalen Navigators“, um Innovationsprojekte praxistauglich umzusetzen. Aber lest selbst!

Digitale Transformation – Aufbau und Anwendung eines Digital Navigator

Alle reden über die „Digitale Transformation“ aber wenige Unternehmen haben einen klaren Plan in Form einer praktikablen Digital-Strategie. Dabei braucht die Digitalisierung vor allem mehr einfache Tools und dafür weniger Blabla.

Aus dieser Überzeugung und der Erfahrung aus mehreren Kunden-Projekten habe ich den “Digital Navigator” entwickelt. Dieser hilft meinen Kunden aus der “Digitalen Odyssee”.

Der Digital Navigator ist ein einfaches Canvas Modell, dass die Digitale Transformation unterstützt indem er die Digitalisierung aus drei Perspektiven betrachtet: die kundenspezifische Digitalisierung, die organisationsspezifische Digitalisierung und die geschäftsmodellspezifische Digitalisierung.

Die differenzierte Betrachtung ermöglicht die Formulierung ausgewogener Digital-Strategien, unterstützt bei der Kommunikation dieses großen Changes auf allen Ebenen und gibt wichtige Hinweise auf die Ausgestaltung von Führung und Kultur.

Mittlerweile ist wohl allen klar, dass die Digitale Transformation keine reine Technologie-Diskussion ist. Hier geht es um viel mehr als nur Prozesse per IT zu automatisieren oder neue Softwaretools anzuwenden.

In der Praxis hat sich für mich hier der Aufbau von individuellen und möglichst einfachen Business Tools bewährt. Je einfacher die Tools strukturiert sind, desto besser lassen sich diese in der Organisation kommunizieren. Die Kommunikation in einfacher und verständlicher Weise hat wiederum einen großen Einfluss auf die erfolgreiche Umsetzung der Themen. Wenn die berühmte “Digitale Agenda” dagegen aber aus einer sehr langen – aber unstrukturierten und unverständlichen – Liste von Projekten besteht, dann ist ein Scheitern der Digitalen Transformation vorprogrammiert. Leider ist das sehr oft der Fall.

Auf der anderen Seite heißt das, dass es keinen Mangel an Ideen gibt – problematisch ist vielmehr häufig die fehlende Struktur. Dies führt dann zu einer unklaren und intransparenten Kommunikation der Digital-Strategie und was oftmals zu einer Einseitigkeit der Themenfelder (man macht nur das, bei dem man sich sicher fühlt).

Zudem werden häufig die falschen Methoden und Vorgehensweisen bei der Implementierung gewählt. Hier wird dann häufig mit gesundem Halbwissen von Disruption, dem Silicon Valley, notwendiger Agilität und Konzepten wie Scrum, Design Thinking oder dem Lean Startup Ansatz gesprochen. Natürlich sind diese Ansätze sehr sinnvoll, das steht für mich ausser Frage, allerdings können sie auch sehr schnell kontraproduktiv wirken. Vor allem, wenn Sie schlichtweg nicht zur Problemstellung nicht passen.

Die Digitalisierung braucht einfache Tools und ausgewogene Strategien

Ein wirksames Mittel gegen zu viel Blabla sind konkrete und einfache Management-Tools, die idealerweise bei den folgenden drei Schritten unterstützen:

  1. Formulierung der (Digital-)Strategie,
  2. Kommunikation der (Digital-)Strategie, und
  3. Umsetzung (Digital-)Strategie.

Ich nenne mein Tool den “Digital Navigator” – denn er soll meinen Kunden helfen, den Weg aus der “Digitalen Odyssee” zu finden.

Gute Strategien sind ausgewogen – dies gilt auch für digitale. D.h. natürlich sollten Unternehmen bei der Digitalisierung den Kunden in den Mittelpunkt stellen – aber bitte nicht nur ihn. Die regelmäßige Forderung nach Customer Centricity und Customer Journey ist natürlich meist richtig und sinnvoll – wenn auch mindestens genauso alt wie betriebswirtschaftliche Überlegungen an sich.

Wenn man’s übertreibt besteht häufig die Gefahr, dass man bei aller Kundenorientierung ganz schnell vergisst auch die eigenen Mitarbeiter abzuholen und auf die Reise mitzunehmen. Die Notwendigkeit das zu tun steht allerdings außer Frage – schließlich ist die Digitale Transformation eines der größten Change-Projekte unserer Zeit.

Und dann sind da noch die allseits diskutierten “neuen” Geschäftsmodelle. Schaut man sich diese übrigens genauer an so kann man erkennen, dass es eigentlich nur wenige erfolgreiche Muster für erfolgreiche Geschäftsmodelle gibt. Das macht die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle umso leichter.

Insgesamt nimmt der Digital Navigator also 3 Perspektiven ein:

  • die Perspektive der kundenspezifischen Digitalisierung,
  • die Perspektive der organisationsspezifischen Digitalisierung und
  • die Perspektive der geschäftsmodellspezifischen Digitalisierung.

Sobald man sich dieser drei Perspektiven bewusst ist, erscheint die Herausforderung schon geringer.

Wie die Perspektiven zu den oben angegebenen drei Aufgaben (Formulierung, Kommunikation, und Umsetzung) passen will ich im folgenden skizzieren.

1. Formulierung der Digital-Strategie

Im Bereich der kundenspezifischen Digitalisierung geht es vor allem um Produktverbesserungen durch die Vernetzung von Maschinen, den Aufbau neuer digitaler Kommunikationskanäle durch die Einführung von modernen Customer-Relationship-Management Systems oder die Implementierung direkterer und schnellerer Distributionskanäle. Im Kern zielen diese Maßnahmen auf die Schaffung eines zusätzlichen Kundennutzen und damit auf höhere Umsätze ab.

Im Bereich der organisationsspezifischen Digitalisierung liegt das Optimierungspotential oft auf der Hand: insbesondere durch die Automatisierung von Routineaufgaben oder die Verwendung von Cloud-Technologie können Prozesse beschleunigt und die Effizienz gesteigert werden. Nicht zuletzt geht es hier aber vor allem auch um ein verbessertes Wissens- und Informationsmanagement (Stichwort Dokumentenmanagement oder Enterprise Content Management).

Vor allem hiermit schaffen Unternehmen die notwendige Daten-Basis für die Entwicklung von neuen Geschäftsideen und echter Geschäftsmodell-Innovation. Dies ist wichtig, denn im Bereich der geschäftsmodellspezifischen Digitalisierung entfernt man sich idealerweise vom vertrauten Geschäftsmodell. Hier sind Unternehmen aufgefordert, bewusst über den Tellerrand hinauszuschauen. Nur so kann es sich vor einer gegebenenfalls drohenden Disruption des eigenen Marktes schützen. Meistens geht es in einem ersten Schritt aber erstmal darum softwarebasierte und datengetriebene Geschäftsmodelle aufzubauen, schliesslich schlummern in vielen Unternehmen grosse Potentiale in Form von ungenutzten Daten und Informationen. Neue Geschäftsmodelle müssen bei allem Digitalsierungs-Hype übrigens nicht immer disruptiv sein.

2. Kommunikation der Digital-Strategie

Eine möglichst einfache Struktur ermöglicht, dass alle vom Gleichen reden und Diskussionen zielgerichtet ablaufen.

In der Praxis hat es sich bewährt, den Digital Navigator als Canvas-Modell aufzubauen. Der Vorteil: mit solchen Modellen können Sie gut in der Gruppe arbeiten und schaffen es so, dass alle wichtigen Stakeholder abgeholt werden und die gleiche Sprache sprechen. Der im strategischen Management wohl bekannteste Vertreter ist hier sicherlich das Business Model Canvas, an welchem sich auch der Digital Navigator orientiert.

Auf diese Weise kann dieser entlang des kompletten Strategie-Prozesses eingesetzt werden. Also auch schon bei der strategischen Planung der Bereiche, in denen im Unternehmen die digitale Innovation stattfinden soll.

Der Vorteil liegt auf der Hand: indem bereits zu Beginn der Planung eine 360° Perspektive eingenommen wird und die einzelnen Ideen differenziert nach den oben angegebenen drei Bereichen geclustert werden, wird die Digital-Strategie automatisch ausgewogen.

Zur Kommunikation der Vorgehensweise kann hier bildlich dargestellt werden, welchen Pfad die Digitalisierung im Unternehmen nimmt. So wird die Kommunikation transparent und das schafft Vertrauen und Involvement.

Idealerweise führt der Weg zunächst über die Bereitstellung der internen beziehungsweise technologischen Basis für weitere digitale Innovationen und dann erst zum Aufbau neuer Geschäftsmodelle. Das heißt: während am Anfang gezielt auf Quick Wins gesetzt wird (die helfen nicht an Fahrt zu verlieren), ist im zweiten Schritt die fundamentale Erneuerung des Geschäfts dran.

Wer alles auf einmal versucht, riskiert die Überforderung der Organisation.

3. Umsetzung der Digital-Strategie

Bei dieser schrittweisen Vorgehensweise sind zunächst Quickwins im Bereich der kundenspezifischen Digitalisierung ratsam. So kann auch Richtung Kunde ein Fortschritt im Bereich der Digitalisierung kommuniziert werden. Parallel können die organisationsspezifischen Digitalisierungsthemen angegangen werden. Bei beiden findet inkrementelle Innovationen nahe am Kerngeschäft statt und es werden wichtige Grundsteine für radikaleren Innovationen im Bereiche der geschäftsmodellspezifischen Digitalisierung gelegt.

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass vor allem der Managementstil in der Umsetzung variieren sollte: Für kunden- und organisationsspezifischen Digitalisierung muss das Unternehmen nicht zwangsweise agil sein – oft sind hier sogar die etablierten Prozesse zielführender: da die Produkt- und Service-Innovationen hier oft inkrementell und sehr nahe am bestehenden Geschäftsmodell angesiedelt sind, sollten Sie sich keine Fehler erlauben die ihr Kerngeschäft in Gefahr bringen. Erstens ist es sowieso utopisch ein gesamtes Unternehmen von heute auf morgen auf agil zu trimmen und zweitens ist und bleibt die Hierarchie die effizienteste Organisationsform (wenn am besten auch so flach wie möglich).

Da die organisationsspezifischen Themen oft nur interne Auswirkungen haben, eignen sich diese übrigens gut um agiles Arbeiten zu üben.

Im Bereich der geschäftsmodellspezifischen Digitalisierung geht es darum, gewohnte Vorgehensweisen zu verlassen und um die Schaffung einer komplett neuen Fehlerkultur: während das Kerngeschäft versucht Fehler zu vermeiden, sollten Sie hier bewusste Risiken eingehen und auch kalkuliert Fehler machen, um aus diesen zu lernen (Stichwort “fail fast, fail cheap“).

Die Vorgehensweise ist hier vom Kern her explorativ. Dementsprechend sollte auch der Managementstil eher offen und kollaborativ sein. Intern aber auch externen Vernetzung im Sinne des Open Innovation ist hier gefragt. D.h. die (Organisations-)Struktur der Wahl ist hier nicht die Hierarchie, sondern das Netzwerk.

Dies geht man am besten in einem separaten und vom Tagesgeschäft befreiten Digital Lab oder Accelerator an.

Fazit

Der Digital Navigator ist ein einfaches Modell, das die Digitale Transformation unterstützt, indem es die Digitalisierung aus drei Perspektiven betrachtet: die kundenspezifische Digitalisierung, die organisationsspezifische Digitalisierung und die geschäftsmodellspezifische Digitalisierung.

Die differenzierte Betrachtung ermöglicht die Formulierung ausgewogener Digital-Strategien, unterstützt bei der Kommunikation des grossen Changes auf allen Ebenen und gibt wichtige Hinweise auf die Ausgestaltung von Führung und Kultur.

Der konkrete Aufbau des Digital Navigator ist abhängig vom Status quo und den Bedürfnissen des jeweilen Unternehmens. In er Praxis hat sich der Aufbau in Form eines Canvas bewährt, dies ermöglicht eine einfache und zielgerichtete Zusammenarbeit und vor allem fruchtbare Diskussionen.