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Auch in diesem Jahr stellen wir Euch unsere ImpulsgeberInnen vor. Neu ist diesmal, dass wir zweiteilige Interviews geführt haben. Den ersten Teil lest Ihr hier im Blog, den zweiten Teil hört Ihr im Management-Radio.

Heute stellen wir Euch Dr. Marcus Raitner, unseren Impulsgeber am Freitag und Agile Transformation Agent bei der BMW Group IT, vor.

Wir haben beim diesjährigen PM Camp Berlin ein dreiteiliges Motto – Welche drei Worte stellen Dich am besten vor und warum?

Das ist eine gute Frage. Agilität ist sicherlich ein Thema, Führung ist ein Thema, und ich sage immer „Hofnarr“ – das ist meine Jobbeschreibung.
Agilität ist das Thema, mit dem ich mich tagaus, tagein beschäftige, um die BMW Group IT agiler zu machen. Das ist mein Hauptjob, darüber schreibe ich auch ganz viel. Ich schreibe auch schon ganz lange über das Thema Führung, weniger im hierarchischen Sinne, sondern eher im lateralen Sinne – das beschreibt mich sehr gut, also ein Thema, das mich sehr stark beschäftigt. Und eben meine Funktion ist jetzt keine richtig formale, sondern eher so eine Rolle, wo man den Spiegel vorhält, wo man als Coach agiert, wo man eben so ein Stück Hofnarr ist, neben der Hierarchie und Missstände beseitigt. Darum beschreibt mich das ganz gut.

Unser Motto dieses Jahr lautet Transformation | Innovation | Partizipation. Was verbindest Du persönlich damit?

Also Transformation ist natürlich das Thema, mit dem ich mich schon ganz lange beschäftige, klassische Organisationen auf eher agile Organisationen zu transformieren vor dem Hintergrund der Digitalisierung natürlich. Alles hat einen Ursprung, alles hat einen Grund, eine Motivation, und die Digitalisierung ist sicherlich ein Thema. Vor dem Hintergrund von so vielen technologischen Disruptionen – von Künstlicher Intelligenz, Autonomes Fahren, Blockchain… you name it – vor dem Hintergrund ist Innovation natürlich alles. Und diese Innovationskultur, auch mal Dinge auszuprobieren, auch mal Dinge scheitern zu lassen, diese Start-Up-Mentalität ist ganz entscheidend in der Phase der Transformation für uns. Und Partizipation – diese Innovation wird nur funktionieren, wenn sie auf einer breiten Basis steht. Das ist also nichts, das im stillen Kämmerchen von ein paar Wenigen oben oder auf der Seite gemacht wird, sondern das ist etwas, das alle tun müssen. Und da mag ich dieses Google-Modell immer sehr schön mit 20% der Zeit für Themen, die neu sind, anders sind. Das verstehe ich unter Partizipation.

Du bist seit 2015 bei der BMW Group IT und begleitest auch seit letztem Jahr als „Agile Transformation Agent“ den Wandel im Unternehmen. Was fasziniert Dich daran am meisten?

Also ich hab ja hier angefangen ganz klassisch als Projektleiter, und mich hat immer schon fasziniert, dass wir ganz viele auch agile Projekte damals noch gemacht haben. Und dieser Wandel, einfach so einen Teil eines großen Konzerns wirklich radikal verändern zu können und dass aus so einer Bewegung, aus so einer Motivation von ein paar Einzelnen immer etwas Größeres wird, was dann tatsächlich Strategie wird, also Teil davon sein zu können in so einer Umbruchsphase, finde ich schon sehr spannend. Auch ein spannendes Industriegebiet natürlich im Moment – die ganze Automobilindustrie ist im Umbruch – und in Zeiten von Umbruch von innen mitgestalten zu können, ist extrem faszinierend.

Was war dabei für Dich die härteste Nuss und was die größte Überraschung?

Die härteste Nuss… man muss ja auch dazusagen, was ich vorher gemacht habe: Ich hab ja vorher fünf Jahre eine ganz kleine Beratungsfirma mit aufgebaut und war dort auch Geschäftsführer, also sehr frei gearbeitet, sehr selbständig gearbeitet in einem sehr vertrauensvollen Umfeld, wo jeder vom anderen eigentlich alles gewusst hat, weil man eben so klein war. Und dann in einen Konzern zu gehen – selbst wenn man in dem Konzern schon zehn Jahre lang gearbeitet hat als Externer, ist schon ein Kulturschock. Das darf man nicht vergessen. Von einem Stück Verschlossenheit, Silodenken angefangen – ich habe auch immer gesagt, ich habe nie verstanden, warum Working Out Loud ein Thema ist, nachdem ich im Konzern war, habe ich verstanden, warum Working Out Loud ein Thema ist – wirklich, man muss Silos aufbrechen. Dieses Silodenken hat mich wirklich ein Stück weit auch verstört am Anfang.

Die größte Überraschung war, dass es neben diesen Silos und der Hierarchie eigentlich ganz viele funktionierende Netzwerke und ganz viele engagierte Menschen gibt. Also es gibt unglaublich viele Graswurzelbewegungen, ob das jetzt ein Connected Culture Club ist, ob das jetzt Working Out Loud ist, ob das ein Frauennetzwerk ist – es gibt unglaublich viele solcher Graswurzelbewegungen, die auch große Macht teilweise haben, weil sie auch von teilweise hoher Stelle in der Hierarchie unterstützt werden. Es gibt Graswurzelbewegungen, und sie werden nicht unterdrückt, sondern sie werden tatsächlich auch gefördert. Das fand ich sehr faszinierend. Und das, glaube ich, ist auch eine große Stärke von BMW.

Beim diesjährigen Berliner PM Camp bist Du Impulsgeber für den Teil Transformation. Worauf können sich die TeilgeberInnen besonders freuen?

Ein Stück weit werde ich wohl ausholen müssen, um einfach zu erklären, wo wir herkommen. Es kennen zwar viele Großkonzerne und wie die strukturiert sind, aber um auch unsere Motivation klarzumachen, dass wir da einen Veränderungsdruck auch spüren und uns auch massiv verändern wollen und dann das Ziel noch einmal klarzumachen, dass wir eine agile Produkt-Organisation haben wollen. Wir wollen jetzt nicht ein paar Projekte agil machen, sondern wir sagen 100% agil, und wir meinen das auch. Tatsächlich dieses Ziel der agilen Produkt-Organisation muss man einmal verstanden haben, damit man die Konsequenzen dann auch versteht. Weil die Konsequenzen sind vielfältig, das ist nicht nur eine Umorganisation, sondern da ist ganz viel Mindset dabei, ganz viel Selbstorganisation dabei, weil die Verantwortung in die Teams übergehen muss, und dann sind wir sofort bei meinem zweiten Lieblingsthema Führung. Wenn wir auf der einen Seite „selbstorganisierte Teams“ sagen, dann müssen wir uns damit auseinandersetzen „Was macht denn der Chef dann eigentlich?“ Und das ist ein Thema, das uns gerade massiv beschäftigt. Vor dem Hintergrund entstand eben auch das Human Leadership Manifesto usw., und auch das werde ich natürlich dort streifen, damit man einfach mal aufspannt, wie groß dieses Thema dann eigentlich ist und es eben nicht nur darum geht, ein paar Projekte agil zu machen.

Teil 2 des Interviews mit Marcus hört Ihr hier.